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Eine Idylle mit Tücken

Es gibt Orte, an denen man lieber nicht landet. Zumindest unfreiwillig. Zu diesen Orten würde ich ganz klar das Gefängnis, eine einsame Insel – oder auch ein Polizeiboot zählen. Auf letzterem landet für gewöhnlich nur, wer einen Notfall hatte oder Mist gebaut hat. Zu beiden Kategorien zähle ich mich nicht – dennoch bin auf einem solchen Boot gelandet. Beruflich natürlich.

Im Rahmen unserer diesjährigen Sommerserie haben wir täglich Blaulichtorganisationen aus der Region begleitet, sie vorgestellt und haben selbst mitangepackt. Mich hat es im Rahmen dieser Serie, bewaffnet mit meinem Mikrofon und mit der lernenden Mediamatikerin aus unserem Medienhaus auf den Rhein gezogen.

Die Audio-Reportage könnt ihr hier anhören:

8 Uhr morgens, einer der wenigen schönen Morgen in diesem Sommer. Beim sogenannten Salzstadel in Schaffhausen wartete das Polizeiboot auf uns. Darauf waren Martin Tanner, Chef der Schaffhauser Verkehrspolizei, Simon Ott, Chef-Taucher der Polizei-Sondergruppe und Patrick Caprez, Mediensprecher. Im Mittelpunkt standen klar Martin Tanner und Simon Ott. Letzterer war der Steuermann und startete mit dem eher kleinen Polizeiboot in Richtung Diessenhofen.

Es war ein Freitagmorgen, zwar bei schönem Wetter, dennoch war es ruhig. «Das ist ganz normal», so Tanner, «um diese Zeit hat es gerade mal einige Schwimmerinnen und Schwimmer. Uh, sehen Sie das da hinten? Die knallgelbe Kappe? Da schwimmt jemand. » Und wie sich Tanner über die bunte Kappe freute, und dann auch noch mit einem bunten Wassersack im Gepäck. So sehe man die Leute überhaupt. Ansonsten, bei einem Einsatz könne ein «unsichtbarer» Schwimmer zum Problem werden.

Wird die Wasserpolizei zu einem Einsatz gerufen erreicht sie Geschwindigkeiten von bis zu 69 km/h. Sogleich demonstrierte Simon Ott die Geschwindigkeit, also nur 40 km/h. Aber bereits bei diesem Tempo musste man sich als Passagieren festhalten und ein zügiges Ausweichen von Hindernissen gestaltete sich bereits schwierig. Wenn dann also jemand schwimmt, ohne Kappe, mitten im Rhein – und dann kommt ein Schiff in diesem Tempo… Das muss nicht ausgeführt werden.

Zu einem Einsatz kommt es beispielsweise, wenn jemand mit einem Boot ein Problem hat, kentert und gerettet werden muss. Typisch für Schaffhausen sind die sogenannten «Wiffen». Eine Art Holzpfähle im Wasser, die den Kursschiffen und Freizeitbötlerinnen und -bötlern anzeigt, auf welcher Flussseite sie fahren dürfen. Eine simple Sache – wer aber zu nahe an eine solche Wiffe herankommt, kann schlimmstenfalls mit dem Leben bezahlen. Das ist schon zur Genüge geschehen. Das Problem hierbei: Direkt um die Wiffe entstehen Wirbel, die Strömung ist zudem sehr stark. Wer einmal an eine Wiffe gedrückt wird, kommt schwer wieder weg.

Eine Wiffenkollision aus dem Jahr 2018 Bildquelle: Schaffhauser Polizei

Um ebensolche Unfälle zu vermeiden, sind die Polizisten und Polizistinnen auf dem Polizeiboot häufig vor allem präventiv unterwegs. «Wir sagen den Bötlern, sie sollen ihre Boote nicht zusammenbinden, fragen sie ob sie manövrierfähig sind», sagt Tanner. Gerade mit zusammengebundenen Gummibooten ist es schwierig, genügend schnell einer Wiffe auszuweichen. Die beste Variante: Einfach in Ufernähe bleiben.

 

Wirklich «scharfe» Einsätze, also dann, wenn jemand in ernster Gefahr ist, gebe es gerade einmal vier bis achtmal im Jahr einen Einsatz. Dennoch reiche das. Martin Tanner ist schon mehrere Jahrzehnte für die Schaffhauser Polizei im Einsatz und auch bei der Wasserpolizei tätig. In all dieser Zeit habe er schon einige Einsätze erlebt, davon ist ihm einer besonders geblieben. Anfang der 90er-Jahre war bei Hemishofen ein fünfjähriger Junge ertrunken. Er war mit seinem Vater in einem Gummiboot auf dem Rhein unterwegs. Das Boot kollidierte mit einer Wiffe und kenterte. Der Junge trug keine Schwimmweste und ertrank. Dies, trotz intensiver mehrtägiger Suche durch die Wasserpolizei. Matin Tanner war dabei. «Das geht einem nah», erzählt er, während wir auf dem Deck des Boots stehen und die Morgensonne angenehm warm auf unsere Gesichter scheint. «Es ist nicht so, dass mich dieser Vorfall tagtäglich beschäftigt», fährt Tanner weiter, «aber bei allem was man macht, sei es bei einer Kontrolle oder bei der Prävention, hat man das immer im Hinterkopf. Man sagt sich: Denk dran, als ihr diesen Fünfjährigen gesucht habt und ihn nur noch tot bergen konntet. Das war schon sehr einschneidend für mich. Vor allem, weil der Junge, hätte er eine Rettungsweste getragen, überlebt hätte.»

Martin Tanner (rechts) erzählt aus dem Alltag der Wasserpolizei

Kein Wunder betont Martin Tanner jedes Jahr anfangs Sommer, dass man sich auf dem Rhein korrekt verhalten soll. Gummiboote nicht zusammenbinden, auf Wiffen achten oder auch den Bändel am Stand-Up-Paddle nicht am Fuss befestigen.

 

Diese Regeln musste aber keiner der Fachmänner auf dem Polizei-Boot irgendeiner vorbeischwimmenden Person beibringen. Es blieb ruhig. Dennoch schoss mein Puls für wenige Minuten doch noch stark in die Höhe.

Ronja Bollinger übernimmt das Steuer - Simon Ott gibt Anweisungen

Bei der Diessenhofer Brücke stiegen wir kurz aus, ein Kaffee liegt drin bei diesem Termin. «Jetzt kommt dann die Diessenhofer Brücke, die ist immer etwas schwieriger zu passieren wegen der Wirbel bei den Pfeilern», sagt Simon Ott beim Kaffee trinken. Ich schaue zur Brücke und sehe die Wirbel. «Den Teil fahren Sie dann», sagt Martin Tanner. Ich lache nur. Fünf Minute später geht es wieder aufs Boot, Simon Ott legt ab, das Boot fährt gemächlich in Richtung Diessenhofer Brücke. «Jetzt übernehmen Sie», ruft Ott und winkt mich zu sich. «Ich dachte, das sei ein Scherz», rufe ich über den Lärm des Bootsmotors hinweg zurück. Sie scherzten nicht. Ich übernahm also das Steuer, der Puls am Steigen. Simon Ott steht dicht neben mir. «Jetzt geben Sie ganz wenig Gas und bleiben einfach gerade», gib mir Ott Anweisungen. Pff. Ganz einfach. Eher in Schlenkern steuert das Boot immer näher an die Brücke ran, die Finger um das Steuer verkrampft. Ein paar Schweisstropfen, Schlenker und Anweisungen später sind wir unter der Brücke durch. «War doch ganz einfach», lacht Martin Tanner. Und schon drücke ich Simon Ott das Steuer wieder in die Hände. Dort ist es besser aufgehoben. 

Eine gute halbe Stunde später sind wir zurück in Schaffhausen beim Salzstadel. Ohne jegliche Zwischenfälle. Wenn es doch immer so idyllisch wäre auf dem Rhein. «Für mich ist es das schönste Gewässer auf dem ich mich jemals bewegt habe. Aber es birgt seine Risiken», sagt Martin Tanner von der Schaffhauser Verkehrspolizei und damit auch der Wasserpolizei. Ein Traumjob für ihn.

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