Eine Diplomarbeit von Ronja Bollinger

Bässe im Wald

Party machen unter freiem Himmel. Ein Blick hinter die Kulissen einer illegalen Party-Reihe in den Schaffhauser Wäldern. Wie läuft das ab? Wann beginnt die Illegalität? Welche Auswirkungen hat das auf die Natur? Diesen Fragen gehe ich in meiner Diplomarbeit nach.

Scheinwerferlicht blitzt durch die Bäume, Bässe wummern aus den Boxen, eine Discokugel funkelt an der Decke eines Waldunterstandes. Junge Leute tanzen zu den elektronischen Klängen, an der Bar werden im Minutentakt Bier und Drinks herausgegeben. Eine normale Party. Also fast. Nur dass sie mitten im Wald ist. Und illegal. Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich eine solche Party von Anfang bis Schluss begleitet. Gleichzeitig habe ich sie auch aus Sicht der Polizei und Jagdaufsicht kritisch beleuchtet.

Der Rucksack ist gefüllt mit einer Wasserflasche, Insektenspray und einer Regenjacke. An den Füssen sind robuste Doc Martens montiert, das Makeup besteht aus etwas Wimperntusche und Sonnencrème. Ein typisches Party-Outfit eben. Zumindest für die Party, die ich hier begleite.

los geht's

Bevor die eigentliche Party beginnt, trifft sich eine gut zwölfköpfige Gruppe bei einem Kellerabteil am Stadtrand. Die Helfer:innen sind alle zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreissig, die einen arbeiten im kaufmännischen Bereich, andere studieren, wieder andere üben einen handwerklichen Beruf aus. Ein bunter Haufen. Zugegebenermassen nicht die Gruppe, die man hinter einer illegalen Party-Reihe erwartet.

Den Ton gibt ein Endzwanziger im weissen Shirt und dunklem Cap an. Er ist der Hauptorganisator. Ich nenne ihn in dieser Arbeit «Dennis». Sein richtiger Name, genaues Alter und Beruf bleibt anonym.

No risk no fun

Seit ein paar Jahren kenne ich die Leute hinter diesen Partys. In vergangenen Jahren bin ich auch schon selbst hinter einer Bar im Wald gestanden. Letzten Sommer habe ich mich etwas zurückgezogen, dieses mal bin ich nur Beobachterin. Trage aber doch die eine oder andere Kiste vom Keller ins Auto, ich will ja nicht im Weg sein. Kiste um Kiste mit Technik, Scheinwerfern, Kabeln, Deko-Material, Alkohol und Mischgetränken werden in einen Pferdeanhänger gehievt.

«Wir erwarten heute Abend rund 200 Leute, dieses mal verschickten wir die Einladungen eben nur an einen kleineren Kreis», sagt Organisator Dennis. Die Einladungen werden per Whatsapp versendet, manchmal in einem grossen Chat, manchmal nur auf Anfrage, manchmal in einem kleinen Chat.

Die Stimmung unter den Helfer:innen ist freundschaftlich, die Arbeit verläuft routiniert und etwas chaotisch zugleich ab. Alle die mithelfen tun dies freiwillig, bezahlt werden sie nicht. Im Fokus steht das Dabeisein. «Klingt halt schon cool wenn man sagen kann, dass man an einer illegalen Party mithilft», sagt Dennis schmunzelnd.

Eine gute Stunde später wird im Wald aufgebaut. Der Standort befindet sich bei einem Unterstand im Buchthaler Wald, daneben ist eine Feuerstelle, sogar Feuerholz steht zur Verfügung. Von den offiziellen Parkplätzen sind es gut zehn Gehminuten, von der nächsten Bushaltestelle gut 20 Minuten. Fernab der Zivilisation, das Wohngebiet ist ein gutes Stück weg.

Da Regen angesagt ist, werden zwei Zelte aufgespannt. Eines über der Bar, eines über der Tanzfläche. Das DJ-Pult, die Deko, die Discokugel und die Scheinwerfer werden beim Unterstand installiert. Gleich dahinter beginnen schon bald zwei grosse Generatoren zu surren. «Den haben wir ganz neu. Der hat mächtig Leistung – die Feuerwehr hat denselben», erklärt Dennis. Die Generatoren stehen auf einem Stück Wiese. Noch zumindest.

«Hey da kommt jemand», ruft einer der Helfer. Ein Mann Mitte fünfzig läuft den Waldweg entlang, beäugt das Geschehen kritisch und sucht das Gespräch mit dem Verantwortlichen. Dennis spricht ein paar Minuten mit ihm. Der Mann geht wieder. «Er meinte, wir können die Generatoren so nicht stehen lassen. Da ist eine Grundwasserschutzzone. Wenn wir sie auf die Strasse schieben, sei es aber kein Problem», erzählt Dennis. Dass er die Polizei informiert, habt ihr keine Angst? «Nein, der hat uns ja viel Spass gewünscht. » Er sollte recht behalten, die Polizei kreuzte nicht auf. Dennoch rechnet das Team jederzeit damit. «No risk no fun, das ist halt so», sagt Dennis schulterzuckend.

"Das ist trotzdem illegal"

Diese illegalen Raves werden regelmässig von der Polizei geräumt, manchmal bereits gegen Mitternacht, manchmal erst in den späten Morgenstunden. Für das Team droht jeweils eine Busse. Ich habe mit der Mediensprecherin der Schaffhauser Polizei, Cindy Beer, über die Räumung dieser Parties gesprochen. Wie die Polizei die Illegalität der Partys einordnet, wird im Audio weiter unten ausgeführt.

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die bässe wummern los

Es ist dunkel geworden, die Technik steht, die Bar ist bereit. Schon kommen die ersten Gäste, gegen 23 Uhr kommen sie schubweise an. Die Bässe wummern bereits, die Tanzfläche ist erst spärlich gefüllt. Dagegen sind die Plätze am Feuer heissbegehrt. Genauso der Glühwein. «Den schenken wir eigentlich jedes Jahr beim Saisonschluss aus», erklärt die Bar-Chefin des Abends. Ende September ist es ja bereits etwas kühler am Abend, da kann ein Heissgetränk nicht schaden. «Ich hätte gerne einmal einen Glühwein», bestellt ein Gast, «was kostet das?» «Das ist dir überlassen, ist alles auf Kollekte», sagt die Bar-Chefin. «Gehen zwei Franken in Ordnung? » «Klar doch. » Die Verkaufsgespräche laufen alle so ähnlich ab, feste Preise gibt es nicht. 

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Die Gäste feiern bis morgens um 6 Uhr. Dann wird der Saft abgedreht, die letzten Gäste gehen nach Hause. Einige wenige bleiben zurück, packen mit an beim «Fötzeln». Einweghandschuhe und Abfallsäcke werden verteilt, leicht torkelnd suchen Gäste und Helfer:innen den Boden nach Abfall ab. Jede einzelne Zigarette wird aufgepickt. Technik, Bar, Deko etc. wird wieder in den Pferdeanhänger geräumt. Um 8 Uhr ist alles zusammengepackt. Die Helfer:innen brechen auf; einige Stunden später wird eine Gruppe an den Party-Standort zurückkehren, um auch noch den letzten Abfall zusammenzuräumen. Von einer Party mit 200 Leuten ist aber bereits jetzt nichts mehr zu erkennen.

"Es ist in, outdoor zu sein"

Die Devise der Gruppe ist es: So gut aufzuräumen, dass es nachher sauberer ist als zuvor. Das ist Hauptorganisator Dennis sehr wichtig. Doch reicht das? Für den Jagd- und Fischereiaufseher des Kantons Schaffhausen, Patrick Wasem, ist es besser als nichts, wie er sagt. Ich habe ihn am gleichen Ort getroffen, wo einige Wochen zuvor die illegale Party stattgefunden hat. Auch wenn gut aufgeräumt wird, bedeuteten diese Partys eine grosse Belastung für die Wildtiere im Wald. In den letzten Jahren haben diese Partys zugenommen und seien stark im Trend, zumindest laut Wasems Beobachtungen. Ein einzelnes Ereignis wäre für ihn nicht einmal allzu problematisch. Allerdings denke eben jede Gruppe, dass sie die Einzigen seien, so Wasem. Wie also weiter? «Am besten ganz damit aufhören», sagt Patrick Wasem deutlich.

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«Aufhören? Eher nicht», sagt Dennis, als er mit Patrick Wasems Kritik konfrontiert wird. «Diese Tiere werden ja auch von anderen Festen gestört oder Auto-Lärm – nicht nur von uns.»  Die Bässe werden also auch im nächsten Jahr wieder durch die Schaffhauser Wälder wummern.

Diese Diplomarbeit entstand im Rahmen meiner journalistischen Ausbildung am MAZ in Luzern. Die Kernarbeit besteht aus diesem Radio-Feature: